Die Räumung von Schnee aus dem Bahnbereich ist ein wichtiger Bestandteil der jedes Jahr zu erledigenden Arbeiten an der Arlbergbahn. Neben den dem Reisenden zugänglichen Bereichen der Stationen wie Bahnsteige, Gehsteige und sonstigen Wegen auf dem Bahngelände gibt es zahlreiche für den sicheren Schienenverkehr bedeutende Gebiete, die unbedingt von Schneeablagerungen freigehalten werden müssen.
Vor allem in Bahnhöfen betrifft das die Weichen, denn nur eine eis- und schneefreie Weiche gewährleistet einen sicheren Betrieb und bleibt funktionstüchtig. Lange Zeit musste hierfür noch die Räumung mit Hand erfolgen, bis die Einführung von Weichenheizungen eine große Erleichterung bei der Aufrechterhaltung des Bahnbetriebs mit sich brachte.
Trotz aller technischen Fortschritte ist auch heute noch auf der Arlbergbahn die Räumung von Hand erforderlich. Wenn abgehende Lawinen – was schon häufig vorkam – Teile von Zügen meterhoch mit Schnee verschütten, hilft am Anfang nur die händische Freilegung. Diese kann von speziellen Radladern unterstützt werden, die jedoch erst seit wenigen Jahrzehnten zur Verfügung stehen.
In den frühen Betriebsjahren der Arlbergbahn und auch noch weit in das 20. Jahrhundert hinein standen solche technischen Hilfsmittel noch nicht zur Verfügung und man war allein auf die Arbeitskraft der Bahnangestellten angewiesen, die unter großen Anstrengungen mit den Naturgewalten zu kämpfen hatten.
Bei der maschinellen Schneeräumung unterscheidet man zwei verschiedene Räumtypen: Schneepflüge und Schneeräummaschinen.
Unter Schneepflügen versteht man ein- oder zweiseitige Keile, die entweder direkt an Triebfahrzeuge angebracht sind oder selbst fahren können. Beim Einsatz von Schneepflügen wird der im Gleisbereich niedergegangene Schnee durch die Fahrtgeschwindigkeit angehoben und nach außen weggedrückt. Die Konstruktion des Pfluges ist dabei so ausgelegt, dass bei der Räumung möglichst wenig Verwirbelungen und Verdichtungen entstehen und die Schneedecke gut angegriffen wird.
Aus diesem Grund entwickelte man sogenannte Keilschneepflüge, die die Aufgabe hatten, mit einem „unteren Keil“ den Schnee von den Gleisen hochzuheben und dann mit dem „oberen Keil“ zur Seite zu werfen. Diese Technik verhindert Entgleisungen der Räumfahrzeuge, die durch zu nassen (schweren) und stark verdichteten Schnee entstehen.
Keilpflüge wurden unter anderem auch fest an Triebfahrzeuge montiert. Zu Betriebsaufnahme im Jahre 1884 waren für die Arlbergbahn sechs fixe Schneepflüge in Bludenz stationiert, in Landeck waren es 1885 zwei Exemplare. Steigender Bedarf führte zur weiteren Beschaffung von acht Stück (1886) und vier Stück (1888), die alle in Landeck beheimatet waren (Daten aus dem Bericht zum 10 jährigen Bestehen, S. 236, siehe Literaturliste). Die fest montierten Pflüge prägten das Bild der Dampflokzeit.
Aus leicht ersichtlichen Gründen stießen die fixen Schneepflüge vor allem bei größeren Schneemengen bald an ihre Leistungsgrenzen, und man suchte auch für die Arlbergbahn neue, leistungsfähigere Räummittel.
So wurde noch im 19. Jahrhundert ein Pflug auf eigenen Rädern entwickelt, der den Namen Marin`scher Schneepflug erhielt. Der Marin`sche Schneepflug wurde bei einer Vmax=25 km/h von einer Lokomotive gezogen. Mit seinem Gewicht von knapp vier Tonnen (6,5 t inkl. Zusatzlast), wobei der Pflug allein 800 kg wog, brachte er verglichen mit den fest montierten Schneepflügen eine Leistungssteigerung. Bei einem Einsatz befand sich die Räummannschaft auf der offenen Plattform und hatte die Aufgabe, je nach den örtlichen Gegebenheiten die Pflugscharen händisch zu verstellen. Die größte Räumbreite betrug 5,50 m (Daten aus Dultinger, S. 99).
Als Nachteile stellten sich jedoch die ungeschützte Arbeitsplattform heraus, die niedrige Einsatzgeschwindigkeit, und eine schlechte Sicht der Räummannschaft auf die Strecke, da der Pflug von einer Lok gezogen wurde. Auf der Arlbergbahn wurden Marin`sche Schneepflüge eingesetzt, laut „Bericht zum zehnjährigen Bestehen der Arlberg-Bahn“ (siehe Literaturliste) waren 1885 in Bludenz zwei Pflüge dieser Bauart stationiert.
Die oben beschriebenen Nachteile führten zu einigen Umbauten der Schneepflüge: So wurde zum Schutz gegen Entgleisungen die Räumbreite reduziert, das Leergewicht auf 3 t erniedrigt (Zusatzlast noch max 1 t). Die Einsätze blieben auf den Tag beschränkt und zur Mitführung von nötigen Gerätschaften wurde ab sofort ein Niederbordwagen als Begleitung beigegeben. Als Verständigungsmittel zwischen Lokpersonal und Räummannschaft dienten Fahnen, Hörner oder eine Signalleine.
Bereits im Jahre 1924 konnte die damalige BBÖ von der Firma Henschel in Kassel zwei Dampfschneeschleudern (vierachsig) System Leslie erwerben. Der Arlbergbahn wurde die Maschine Ss 1 zugeteilt, welche von Bludenz aus zufrieden stellende Ergebnisse bei den erforderlichen Räumarbeiten erbrachte.
Besonders im lawinenreichen Winter 1928/1929 befreite diese Dampfschneeschleuder innerhalb von nur zwei Tagen den meterhoch verschütteten Bahnhofsbereich von Langen a/A. Die Ss 1 sollte nicht die einzige auf der Arlbergstrecke eingesetzte Dampfschneeschleuder bleiben.
In den Kriegsjahren 1941/1942 stellte die Firma Henschel hauptsächlich für den Einsatz im Osten sechsachsige Dampfschneeschleudern her, von denen insgesamt acht Exemplare nach dem Krieg in Österreich verblieben. Eine davon, unter der ÖBB Nummer 986.103, wurde bis zu ihrer Ausmusterung 1975 in Bludenz stationiert.
Diese Henschel-Schleuder unterscheidet sich von der älteren des Systems Leslie u. a. durch den Austausch der Vakuumbremse gegen eine Druckluftbremse. Außerdem wurden die beweglichen Räumteile nicht mehr mit Dampf sondern mit Druckluft betätigt. Die verwendeten Kessel, Feuerbüchsen und Tender stammten von der zahlreich vorhandenen Lokreihe 52, was eine kurze Bauzeit der Schleudern garantierte. Einige interessante Kenndaten (nach Dultinger, S.128):
Fahrgestell | zwei dreiachsige Drehgestelle, max. Achsdruck 12,03 t |
Tender | max. Achsdruck 15,1 t |
Länge ü. P. | 22,28 m |
Dienstgewicht | 126,4 t |
Schleuderrad | 2,90 m Durchmesser, 120 bzw. 160 U/min |
Räumbreite | mit/ohne Seitenflügel 5,00 m/3,13 m |
Druckluft | zwei mal 400 l, von Bremsleitung unabhängig |
Der technische Fortschritt brachte mit der Zeit einige Weiterentwicklungen, bei denen die Konstruktion von Schneeräummaschinen mit größerer Leistung und gesteigerter Wirtschaftlichkeit besonders angestrebt wurde.
Eine herausragende Erfindung gelang dem Zugförderungsingenieur von Saalfelden, Klima. Der ab 1926 einsatzfähige und nach ihm benannte Klima-Schneepflug eröffnete neue Möglichkeiten der Schneeräumung, die in diesem Arbeitsumfang und mit einer solchen Wirtschaftlichkeit vorher noch nicht durchgeführt werden konnte. Im Einzelnen sind das folgende neue Eigenschaften:
- gute Sichtverhältnisse des Räumpersonals, da der Pflug ab jetzt nicht mehr gezogen, sondern geschoben wurde
- vor Wind und Wetter geschützter Arbeitsplatz des Personals in einer geschlossenen Arbeitskabine
- Druckluftbetätigung der Pflugteile
- Räumgeschwindigkeit von maximal 60 km/h und Auswurfweiten von mehr als 10 m
- Räumung bis 80 mm über SOK (=Schienenoberkante), Schienenzwischenraum bis zu 80 mm unter SOK
- Räumbreite 4,80 m, Auswurf entweder nach rechts oder nach links
- Wechselsprechanlage zwischen Lokführer und Schneepflugmannschaft
- Bremsventil am Bedienstand des Klima
Die Erstausführung K I des Klima-Schneepfluges bietet eine Räumbreite von insgesamt 3,86 m (Räumbreite der Vorderwand allein 2,80 m). Die Trägerlokomotive liefert Druckluft über die Bremsleitung. Es gibt weitere Pflugtypen Bauart Klima K II bis K IV, die sich sowohl durch die Ausmessungen und die Zahl der vorhandenen Räumteile unterscheiden. Auf diese Einzelheiten soll hier nicht weiter eingegangen werden. Ebenso soll auf den im Zweiten Weltkrieg gebauten Klima-Pflug Bauart Henschel nur kurz hingewiesen werden. Dieser entstand aus einer ausgemusterten Lok oder Tender, die bzw. der beim Räumeinsatz von einer Lok geschoben wurde. Die Drucklufterzeugung erfolgte über eine im Fahrzeug eingebaute Kompressoranlage.
Der folgende Teil behandelt die Technik und die Entwicklung der Klima-Schneepflüge Bauart Knittelfeld und Bludenz ausführlicher. Die genannten Typen sind aus ausgemusterten Dampfloks der Reihe 52 entstanden, wobei die Bauart Bludenz einen speziell auf die Arlbergbahn angepassten Umbau des Typs Knittelfeld darstellt.
Der Klima-Schneepflug Bauart Knittelfeld wurde in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts in der gleichnamigen Hauptwerkstätte der ÖBB hergestellt. Als Grundlage verwendete man das Laufwerk einer Dampflok Reihe 52 und entfernte sowohl die Treib- als auch eine Kuppelachse (benötigter Platz für Räumgerät). Das Grundgestell wurde derart gedreht, dass die beiden vorderen Puffer der Dampflok zum hinteren Ende des Schneepfluges wurden. Das Gewicht beträgt 53,4 t bei einer Länge des Fahrzeuges von 13,85 m, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 60 km/h (Räumfahrt) bzw. 80 km/h (Leerfahrt).
Zur Schneeräumung sind folgende Teile vorhanden:
- zwei Vorderwände, die entweder als Keil oder einseitig zum Entfernen des Schnees nach links bzw. rechts gestellt werden können (händische Einstellung, Höhe: 2,60 m); 2,80 m Räumbreite
- zwei Seitenflügel mit einer Höhe von 2,00 m und einer mittels Druckluft einstellbaren Höhe über SOK von wahlweise 10, 18 oder 27 cm; 4,10 m Räumbreite zusammen mit Vorderwand
- ein Mittelräumer von 70 cm Höhe, wahlweise nach rechts oder links händisch stellbar, Absenken durch Eigengewicht, Anheben durch Druckluft; 2,30 m Räumbreite
- zwei Bahnsteigräumwände, mit Druckluft verstellbar; 3,80 m bis 4,10 m Räumbreite (nach Dultinger, S. 111)
Die Druckluftversorgung (Anlage: 8 atü) erfolgt über zwei 400 Liter-Luftbehälter, die von der Schiebelok gespeist werden. Auf dem vorderen Teil des Fahrzeuges befindet sich ein Führerstand mit allen zur Steuerung der Räumeinrichtungen notwendigen Instrumenten. Zur Sicherheitseinrichtung zählen neben Notbremshebel und Signalpfeife auch eine Wechselsprechanlage für den Sprechkontakt zwischen Pflugbesatzung (ein Bahnmeister als Leiter der Fahrt und zwei Hilfsbedienstete) und Lokführer.
Der Klima-Schneepflug Bauart Bludenz ist ein von der Zfl Bludenz umgebauter Knittelfelder Pflug. Für die langen und schweren Einsätze auf der Arlberg-Westrampe erschien die gewöhnliche Druckluftversorgung als zu schwach und man tauschte die pneumatische Anlage gegen eine Öldruckanlage aus. Von einem 110 V Elektromotor (vom Heiztrafo der Schiebelok, Umspannen von 1000 V auf 110 V) angetrieben, sorgt die Ölpumpe für einen Druck von 100 atü (Dultinger, S. 113).
Im Rahmen des Umbaus wurden auch die Druckluftzylinder – wegen des höheren Arbeitsdrucks von 100 atü anstatt 8 atü – gegen kleinere Öldruckzylinder umgetauscht. Dadurch konnte das Gesamtgewicht um rund 5,4 t auf 48,0 t gesenkt werden.
Auf der Arlbergbahn wurde der Klima-Schneepflug Bauart Bludenz (siehe Titelbild: Die Schneeräumung auf der Arlbergbahn 1/2) zum Schneeräumen lange Zeit eingesetzt. Nicht nur wegen des Umbaus ist er ein hoch interessantes Fahrzeug, er hebt sich auch aufgrund der tannengrünen Lackierung deutlich von den anderen ÖBB-Schneepflügen ab.
Bei großen Räumvorhaben auf der Arlbergbahn kann eine in Innsbruck stationierte selbstfahrende Schneefräse System Beilhack zur Verstärkung angefordert werden.
Lawinenereignisse auf der Arlbergbahn – kurze Auflistung einiger Beispiele
Februar 1893
Die Großtobellawine unterbricht die Bahnstrecke zwischen Klösterle und Langen für mehrere Tage und begräbt die Trasse unter mehrere Meter hohem Schnee. Da man im Juli 1892 an gleicher Stelle bereits mit einem Felssturz zu kämpfen hatte, wurde der Bau des Großtobeltunnels beschlossen, der nach der Inbetriebnahme weitere Gefährdungen durch Lawinen verhindern sollte.
11.01.1954
Durch ergiebige Schneefälle innerhalb kurzer Zeit steigt die Lawinengefahr stark an. Der Bahnhof Dalaas wird durch die Muttentobellawine, die ihre gewöhnliche Lawinenbahn verlässt, zerstört. Die Lok 1020.42 eines bereits aus Sicherheitsgründen im Bahnhof stehenden Personenzuges wird gegen das Aufnahmegebäude gedrückt. Zehn Menschen sterben.
15.01.1959
Östlich des Bahnhofes St. Anton a. A. lässt die Wolfsgrubenlawine einen Güterzug entgleisen (wenige Minuten zuvor fuhr an dieser Stelle ein Schnellzug). Es gibt keine Verletzten.
27.01.1968
Eine abgehende Lawine zerstört die Schanatobelbrücke nahe des Bahnhofes Hintergasse und reist den Brückenträger 200 m weit mit ins Tal (zuvor unterquerte die Lawine immer die Brücke). Der Neubau war erforderlich, die Strecke war erst ab dem 20.02.1968 über eine vorläufige Behelfsbrücke passierbar.
29.01.1982
Zwischen Hintergasse und Dalaas fährt ein Güterzug in eine abgegangene Lawine, die Zuglok der Reihe 1020 entgleist mit mehreren Achsen und wird durch weitere abgehende Lawinen immer mehr verschüttet. Erst drei Tage später stand die Lok wieder vollständig auf den Gleisen. Auch der Versuch, die Strecke teilweise mit Schneeschleuder und Pflug zu räumen gelingt nicht, die Fahrzeuge bleiben ebenfalls im Schnee stecken. Die Gesamtsperre der Arlbergbahn betrug 76 Stunden und 40 Minuten.
Die obigen willkürlich ausgewählten und mit Absicht kurz gehaltenen Schilderungen einiger Lawinenereignisse auf der Arlbergbahn sollen zeigen, in welchem Einfluss der Natur diese transalpine Bahnverbindung steht. Die Beobachtung der Schneeverhältnisse sowie die Bereithaltung von Räumfahrzeugen und entsprechendem Personal sind auch in der heutigen Zeit für die Erhaltung des Bahnbetriebs von unverminderter Bedeutung. Trotz des technischen Fortschrittes wird die Arlbergbahn immer noch unter dem Titel bekannt bleiben: Europas schwierigste Gebirgsbahn.
Literaturverzeichnis:
Dultinger, Josef. Eisenbahn-Winterdienst: Ein Fachbuch für Studium und Praxis. Rum: Dr. Erhard, 1982.
k. k. Staatsbahndirection Innsbruck, Hg. Die Arlbergbahn: Denkschrift aus Anlass des zehnjährigen Betriebes 1884-1894. Innsbruck: k. k. Staatsbahndirection Innsbruck, 1896.
(Autor: Rödel Benedikt)