In dieser Rubrik sollen die Erschwernisse, die der Winterbetrieb auf der Arlbergbahn mit sich bringt, näher erläutert werden. Den Schwerpunkt bildet hierbei das Auftreten von großen Schneemengen, hauptsächlich in Form von Lawinen.
Aus diesem Grund seien zu Beginn ein paar grundsätzliche Informationen gegeben, die das „Naturereignis Lawine“ näher charakterisieren sollen und deren verschiedene Erscheinungsformen aufzeigen.
Anschließend werden die Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Bahnstrecke vor großen Schneemengen erläutert, wobei ein Schwerpunkt auf bekannte Schutzbauten gelegt wird, die entlang der Arlbergstrecke besondere Berücksichtigung finden.
Diesem Teil schließt sich eine Aufstellung der Schneeräumfahrzeuge an, die Maschinen wie die Henschel-Dampfschneeschleuder oder den Klima-Schneepflug Bauart Bludenz vorstellen wird. Auch hier werden wiederum nur für den Verkehr auf der Arlbergbahn bedeutsame Fahrzeuge berücksichtigt.
Den Abschluss soll die Schilderung von einigen Ereignissen mit teilweise katastrophalem Ausmaß bilden, die verdeutlichen, warum die Arlbergbahn häufig als „schwierigste Gebirgsbahn Europas“ bezeichnet wird.
Natürliche Schneeablagerungen
Zu den natürlichen Schneeablagerungen zählt man:
- Neuschneelagen
- Schneeverwehungen
- Schneerutsche
- Lawinen
Große Neuschneemengen bringen für den Straßenverkehr zumeist starke Behinderungen mit sich. Während auf der Straße schon wenige Zentimeter Neuschnee zu einer mehr oder weniger umfangreichen Einschränkung des Verkehrs führen, wird das Verkehrssystem Bahn erst von Neuschneemengen über 25 Zentimeter bedeutend behindert. Eine Ausnahme bilden hier lediglich die Weichenbereiche, die, um einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten, von Schnee und Eis freigehalten werden müssen.
Schneeverwehungen sind „Ansammlungen von Schnee, die durch den Wind an dafür geeigneten Stellen zusammengetrieben werden“ (Dultinger, S. 45).
Aus Schneeverwehungen entstandene Ablagerungen sind vor allem in Senken und Bodenvertiefungen vorzufinden, in denen sich der Schnee-transportierende Wind ausdehnen kann (größerer Durchflussquerschnitt).
Nach den kurzen Erklärungen der Begriffe „Neuschneelagen“ und „Schneeverwehungen“ wird nun ausführlicher auf die Begriffe „Schneerutsch“ und „Lawine“ eingegangen.
Als Schneerutsch bezeichnet man an einem Hang in Bewegung kommenden Schnee, der bedingt durch fehlende Haftkraft auf der Unterlage und durch sein Eigengewicht, zum Abrutschen kommt. Begünstigt ist die Bildung von Schneerutschen an Hängen mit fehlender Vegetation (nicht bepflanzte Geländeabschnitte, ohne Sträucher o. ä.). Aber auch hohes, vor dem Winter nicht gemähtes Gras, bildet eine rutschige Unterlage, auf der der Schnee schlecht haftet.
Von einem Schneerutsch spricht man, wenn die vorhandene Gleitbahn 40-50 m lang ist und die Schneemenge nicht über 2000 Kubikmeter liegt.
Ein Schneerutsch, der in seinem Ausmaß diese Zahlenwerte überschreitet, wird als Lawine bezeichnet.
Lawinen haben für den Bahnverkehr zwei bedeutende Eigenschaften: Sie versperren die Bahnanlagen bzw. die Bahntrasse und wirken zudem zerstörend. Während sich also bei Schneerutschen die Beeinträchtigungen noch eher in Grenzen halten können, sind nach Lawinenabgängen größere Schäden zu befürchten.
Die äußeren Faktoren, die zum Abgang einer Lawine führen, sind vielschichtig. Eine Rolle spielt u. a. das Wetter, welches durch einsetzenden Föhn oder starke Winde die Lawinenbildung begünstigt. Ebenso spielt der Zusammenhalt der einzelnen übereinanderliegenden Schneeschichten eine Rolle und trägt maßgeblich dazu bei, wie leicht obere Schichten auf den darunter liegenden abgleiten können.
Zu berücksichtigende Faktoren sind zudem die Hangexposition (Sonnen- oder Schattenseite) und die Hangneigung: So sind Hänge mit Neigungen von ca. 20-50% lawinengefährdet. Eine geringere Neigung als 20% reicht nicht aus, um Schnee in größerem Maße zum gleiten zu bringen, bei Neigungen von über 50% bilden sich i. d. R. keine große Lawinen verursachenden Schneemassen.
Man unterscheidet die folgenden Hauptarten von Lawinen:
- Trockene Lockerschneelawinen
- Nasse Lockerschneelawinen
- Trockene Schneebrettlawinen
- Nasse Schneebrettlawinen
Der Unterschied zwischen Lockerschneelawinen und Schneebrettlawinen ist in deren unterschiedlichen Anbruchgebieten zu erkennen: Bei ersteren gibt es einen fast punktartigen Abbruch der oberen Schneedecke(n), bei einem Schneebrett ist der Abbruchrand viel breiter und größer.
Auch die Konsistenz der Schneemassen ist für die Lawinenart maßgeblich: Lockerer Schnee bricht nur an kleinen Stellen. In Bewegung geratene Schneeteile nehmen beim Abrutschen andere ebenfalls locker liegende Schneemassen mit.
Die Schneebrettlawine (besteht aus „festem“ Schnee) ist im Gegensatz dazu gekennzeichnet von einem breiten „flächenhaften“ Abbruchrand, bei dem die Grenze zu den liegengebliebenen Schneeschichten deutlich erkennbar ist.
Des weiteren werden zur Unterscheidung noch einige Bezeichnungen verwendet. Unter Berücksichtigung der Lage der Gleitfläche unterscheidet man zwischen Ober- und Bodenlawinen sowie entsprechend ihrer Bewegungsform zwischen Staub- und Fließlawinen.
Bei sog. Oberlawinen sind von der mehrschichtigen Schneedecke nur einige obere Schichten beteiligt, bei Bodenlawinen (Grundlawinen) geraten alle Schichten bis zum Boden in Bewegung.
Staublawinen sind Lawinen, die als „Schneewolke“ mit geringem Bodenkontakt und gleichzeitig hoher Geschwindigkeit und Luftdruckentwicklung talwärts rasen und dabei eine besonders zerstörerische Kraft besitzen (siehe Unglück von Dalaas 1954).
Fließlawinen verlieren im Gegensatz dazu nicht die Haftung zum Untergrund.
In der Realität treten zumeist Mischformen der oben genannten Lawinentypen auf.
Maßnahmen zum Schutz gegen Schneeablagerungen
Der wirksamste Schutz gegen natürliche Schneeablagerungen beginnt schon während der Bauphase einer im Hochgebirge gelegenen Eisenbahnstrecke, wie die Arlbergbahn. Unter Berücksichtigung entscheidender Faktoren – wie zum Beispiel die Lage der wichtigsten Lawinenbahnen oder die Topographie der Bahnstrecke – schon während der Planungsphase lässt sich die Betriebssicherheit einer jeden Eisenbahnverbindung bereits von Anfang an deutlich erhöhen.
Gleichzeitig braucht man jedoch nicht zu erwähnen, dass ein absoluter Schutz vor Naturereignissen niemals gewährleistet ist, selbst die technisch anspruchvollsten Sicherheitsmaßnahmen senken nur das Risiko, das niemals ganz ausgeschlossen werden kann. Von den allgemein gebräuchlichen Schutzmaßnahmen werden im nachfolgenden Textteil einige vorgestellt und näher erläutert.
Eine alpine Eisenbahntransversale wie die Arlbergbahn, deren Strecke in Bereich von teilweise über 1200 m ü. N. N. führt, ist klimatisch bedingt in den Wintermonaten von Schneerutschen, Lawinen und Verwehungen gefährdet.
Als Schutz gegen Schneeverwehungen setzt man in den betroffenen Regionen auf Maßnahmen wie Schutzpflanzungen und Schneezäune. Hecken oder ähnliche Pflanzen sind in der Lage, Schneeverwehungen an gewünschten Stellen abzufangen und verhindern, dass die abgelagerten Schneemassen auf der Trasse den Bahnverkehr beeinträchtigen.
Hierzu pflanzt man die Hecken gestaffelt, meist zwei oder drei Hecken mit Abstand hintereinander. Bei der Anpflanzung handelt es sich um einen einmaligen Arbeitsaufwand, auch in Sachen Pflege sind die Hecken wenig arbeitsintensiv.
Als weiterer Schutz gegen Verwehungen werden außerdem Schneeschutzzäune verwendet. Diese bestehen aus Zaunpfählen, zwischen die je nach Bauart ein Metalldrahtgeflecht, Kokosgewebe oder Trevira gespannt ist. Die 1,30 bis 1,80 m hohen Zäune haben unterschiedlich dichte Zaunflächen, wobei mit zunehmender Dichte des Zaungeflechts die Menge des abgelagerten Schnees vor dem Zaun zunimmt. Um die volle Wirkung der Zäune auszuschöpfen, stehen diese senkrecht zur Hauptwindrichtung, bei Bedarf auch in mehreren Reihen hintereinander.
Gegen Schneerutsche bieten auf natürlichem Weg Schutzpflanzungen (z. B. der sogenannte Bannwald) eine gewisse Sicherheit. Wie bereits erwähnt, neigen auf vegetationsarmen Hängen abgelagerte Schneemassen verstärkt zum Abrutschen.
Neben allgemein verbreiteten Maßnahmen wie Auffangräume, Schutzwände und Schneebrücke haben sich auf der Westrampe der Arlbergbahn zwei Sonderkonstruktionen besonders bewährt:
Der sogenannte Arlberg-Drahtseilschneezaun (siehe Abbildung) und der Arlberg-Schneerechen. Der Arlberg-Schneerechen ist aus Rundholzpfeilern aufgebaut, die zwischen Seilen aus Stahl eingespannt sind. Getragen wird dies durch eine Stahlkonstruktion aus Altschienen. Falls einmal ein Seil aufgrund des hohen Schneedrucks zu sehr nachgegeben hat, kann es einzeln wieder angezogen oder ausgewechselt werden.
Um eine gute Funktionsfähigkeit zu erreichen, sollte die Höhe des Schneerechens ungefähr der maximalen Schneehöhe entsprechen. Diese Konstruktion hat sich bewährt als Schutz gegen Schneerutsche und Lawinenabgänge in Lawinengebieten (Anbruchbereiche).
Nun zum Aufbau des Arlberg-Drahtseilschneezaunes. Dieser besteht aus zwischen Holzstützen oder Altschienen (jeweils als Endstützen) gespannten Längsseilen. Im Abstand von 3 Metern befinden sich sogenannte Zwischensteher, die eine Abspannung des Zaunes berg- und talwärts ermöglichen. Die einzelnen Felder werden außerdem durch quergespannte Drahtseile gestützt. An der Bergseite des Zaunes ist ferner noch ein verchromtes Drahtnetz befestigt, das die Schneedecke am Abrutschen hindert.
Auch hier gilt wieder: Die Höhe des Zaunes sollte der ungefähren Maximalschneehöhe entsprechen. Wilhelm Purtscher, bis zu seinem Tod als Lehnenbahnmeister der Arlberg-Westrampe tätig, ist die Erfindung des Arlberg-Drahtseilschneezaunes zuzuschreiben. Beim Lawinenunglück im Jahre 1954 befand er sich unter den Opfern im Bahnhof Dalaas, die von der abgehenden Muttentobellawine verschüttet wurden.
Neben dem Schutz vor Schneerutschen können Arlberg-Schneerechen und Arlberg-Drahtseilschneezaun auch in Anbruchgebieten von Lawinen wirksam eingesetzt werden. Dort finden sie neben anderen Stützverbauungen wie Rundholzwänden oder Schneebrücken Anwendung.
Aber auch Steinmauern bieten oberhalb der Baumgrenze einen wirkungsvollen Schutz. Mit einer Höhe etwas über der Maximalschneehöhe halten sie den Schnee zurück und werden in Abständen von 10 bis 15 m meist zusammen mit Schneerechen und Verpfählungen gebaut.
Allerdings kann aufgrund der hohen Schneemenge an manchen Orten die Mauerhöhe nicht ausreichen. Bei der Lösung dieses Problems wendet man „Ziegel“ aus Schnee an und stockt damit das Mauerwerk auf. Dies ist sowohl in baulicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine sinnvollere Methode, wie eine von Anfang an eingerichtete größere Mauerhöhe. Auch dieses Vorgehen ist am Arlberg weit verbreitet, wie folgendes typisches Beispiel zeigt.
Das Blasegg-Gebiet (rund 2000 m Höhe) liegt oberhalb des Bahnhofes Langen a/A. Die Längentobellawine, die Benediktertobellawine sowie die Simastobellawine stellen eine Gefahr für den Bahnverkehr dar. Durch den Bau einer Galerie (Simastobeltunnel) wurde die für die Arlbergbahn entstehende Gefahr beim Abgang der Simastobellawine gemindert.
Allerdings konnte zum Schutz vor den anderen beiden Lawinenbahnen nicht auf eine Überdachung der Strecke zurückgegriffen werden, da sich das ganze Bahnhofsgelände im Einzugsgebiet dieser beiden Lawinen befindet. Aus diesem Grund blieb nur eine großräumige Verbauung an den Abbruchgebieten übrig, welche aber durch die extremen Neuschneehöhen von bis zu 13 m zusätzlich erschwert wird.
Die Steinmauern werden folglich mit Schneeziegeln, deren Bau in jedem Winter mehrmals wiederholt werden muss, aufgestockt. Die Arbeiten werden während einer Schönwetterperiode durchgeführt, wobei die Lehnenarbeiter anfänglich zu Fuß zum Arbeitsort gelangen mussten. Erst der Bau einer Lastenseilbahn und die Errichtung von kleinen Hütten zur Übernachtung ersparten den täglichen Auf- und Abstieg.
Heute befindet sich im Blasegg-Gebiet noch zusätzlich eine ÖBB-Messstation zur Erfassung von Schneehöhe, Niederschlagsmenge, Luftfeuchte und Lufttemperatur (in 1850 m ü. N. N.) sowie Windgeschwindigkeit (in 1990 m ü. N. N.).
Nicht alle Stellen, an denen die Arlbergstrecke von Lawinen bedroht ist, können nur durch Verbauungen in den entsprechenden Anbruchgebieten gesichert werden. In vielen Fällen sind auch weitergehende Verbauungen wie Tunnel oder Lawinenschutzdächer notwendig. Die Bauart der Lawinenschutzdächer änderte sich mit der Zeit und passte sich den Gegebenheiten und dem technischen Fortschritt an.
Lawinenschutzdächer sind von der Neigung ihrer Dachbauten her dem abfallendem Gelände angepasst, so dass niedergehende Schneemassen über die geschützte Bahntrasse hinweggeleitet werden. Dabei sind nicht nur die großen von den Lawinen ausgeübten Kräfte eine besondere Erschwernis bei Planung und Bau, sondern auch das von den Schneemengen mitgerissene Gesteinsmaterial.
Eine Staublawine kann beispielsweise bei einer Geschwindigkeit von 80 Metern pro Sekunde einen Lawinendruck von 19,20 Tonnen pro Quadratmeter auf ein Schutzdach ausüben (nach Dultinger, S. 81).
Literaturverzeichnis:
Dultinger, Josef. Eisenbahn-Winterdienst: Ein Fachbuch für Studium und Praxis. Rum: Dr. Erhard, 1982.
(Autor: Rödel Benedikt)