Mit der Inbetriebnahme des Blisadonatunnels am 09. September 2003 wird eines der herausragendsten Brückenbauwerke der Arlbergbahn-Westrampe, der hier im Bild gezeigte Wäldlitobelviadukt, umfahren. Diese Aufnahme entstand zwischen Langen am Arlberg und Wald am Arlberg im km 113,0. Der bergwärts fahrende EC 569 „Vorarlberg“ wird von einer Lokomotive der Baureihe 1016 gezogen (Foto: Michael Laublättner).

Imposante Brücken und Viadukte prägen auf ganz besondere Weise das Bild einer Gebirgsstrecke und somit auch jenes der Arlbergbahn. Die zahlreichen und beeindruckenden Kunstbauten lassen nur unschwer erkennen, welche natürlichen Erschwernisse beim Bau dieser Gebirgstrecke überwunden werden mussten. Der nachfolgende Bericht soll klären, unter welchen Voraussetzungen diese Bauwerke zustande gekommen sind.

Beim Bau der Arlbergbahn gelangten fast ausschließlich Steingewölbekonstruktionen aus unbearbeiteten Bruchsteinen zur Ausführung, wobei die Verwendung von Eisenkonstruktionen nur dann in Erwägung gezogen wurde, wenn diese Vorteile gegenüber den dauerhaften Steinkonstruktionen boten. Bei der Herstellung der Mauerwerke kamen insbesondere wetterfeste Bruchsteine zur Anwendung, welche der Umgebung der Baustelle entnommen werden konnten. Die erforderliche Menge an Mörtel wurde mithilfe der in Tirol und Vorarlberg hergestellten Bindemittel erzeugt.

Sowohl weite Teile des Arlbergtunnels, alle kleineren Tunnels, die hohen Pfeiler der großen Viadukte, alle kleineren Viadukte, alle Gewölbe bis 16 bzw. 20 m Spannweite, als auch sämtliche kleineren Objekte wurden mithilfe des Bruchsteinmauerwerks realisiert. Als Steinmaterial dienten Kalk, Gneis und Glimmerschiefer.

Das Bruchsteinmauerwerk ist sowohl außen wie innen gleich behandelt, weshalb das raue Erscheinungsbild der Viadukte mit Vorsprüngen von bis zu 0,4 m Ausladung nicht verwundern mag. Bei größeren Pfeilerbauten, wie sie beim Trisanna- und Schmiedetobelviadukt vorzufinden sind, kamen zudem in Abständen von ca. 10 m durchbindende Lagen von Quadern bzw. von rau bearbeitetem Schichtenmauerwerk zur Anwendung, welche ebenfalls nach außen hin sichtbar sind. Im Regelfall beschränkte sich die Verwendung von Quadermauerwerk hingegen auf Unterlagen von Brückenträgern und Abdeckungen.

Hinsichtlich der Belastung des Bruchsteinmauerwerks scheint es erwähnenswert, dass die Inanspruchnahme des Mauerwerks bei kleineren Bauwerken an der Basis normalerweise 7 kg/cm² nicht übersteigt. In Gewölben mit Spannweiten von bis zu 12 m beträgt diese im Schnitt 7-8 kg/cm².

Anders verhält sich dies hingegen bei den großen Kunstbauten, so beträgt die Belastung bei den großen Pfeilern des Trisannaviadukts im ungünstigsten Fall an der Basis 13 kg/cm², am Kämpfer 5 kg/cm². Die Beanspruchung der kleineren Pfeiler liegt wiederum bei 11 kg/cm², jene der Gewölbe bei 8 kg/cm². Bei der 41 m weiten Gewölbekonstruktion des Wäldlitobelviadukts beläuft sich die größte Inanspruchnahme des Bruchsteinmauerwerks auf 14 kg/cm². Beim Schmiedetobelviadukt lässt sich die größte Inanspruchnahme der Pfeiler mit 11 kg/cm², die der Gewölbe mit 10 kg/cm² festlegen.

Im Hinblick auf den Einsatz von schweren Achtkupplerlokomotiven wurden sämtliche Brücken der Arlbergbahn mit einem eisernen Überbau versehen, welcher einer Belastung von bis zu 15 Tonnen Achsendruck standhalten sollte (ein Wert der insbesondere im Güterzugdienst durchaus zutage treten konnte), wobei die Möglichkeit gegeben war, dem Güterzug drei weitere Lokomotiven derselben Bauart an der Zugspitze beizugeben.

Mit Rücksicht auf ungünstige Einflüsse, wie punktuell auftretende Fahrstöße, welche sich nicht in systematischer Weise erfassen lassen, musste der Berechung der Steingewölbekonstruktionen „vermehrte“ Achsendrücke zugrunde gelegt werden. Diese Vermehrung betrug je nach Stützweite bis 10 m 30 %, bei 10-30 m 25 %, bei 30-60 m 20 % und bei 60-100 m 15 %. Als Windbelastung ist bei belasteter Brücke ein Druck von 150 kg/m², bei unbelasteter Brücke ein Druck von 250 kg/m² in die Berechnung miteingeflossen.

In Anbetracht der getroffenen Vorkehrungen darf es nicht verwundern, dass sämtliche Viadukte der Arlbergbahn dem stetig steigenden Verkehrsaufkommen nach wie vor gewachsen sind. Selbst wenn heute Lokomotiven mit einem Maximal-Achsendruck von 22,5 Tonnen auf den beiden Rampen der Arlbergbahn verkehren, ist dieser Umstand für die Viadukte von verschwindend kleiner Wirkung und somit völlig ohne Belang.

Zweifelsohne prägen die gewölbten Brücken und Viadukte auf ganz besondere Weise das Bild der Arlbergbahn. Das bedeutendste Bauwerk dieser Art ist der Wäldlitobelviadukt bei Klösterle, welcher mit einem nicht ganz halbkreisförmigen Gewölbe von 41 m Lichtweite und einer 8 m weiten Nebenöffnung die tiefe Felsschlucht des Wäldlitobels in einer Höhe von 50 m überspannt. Das nach einem Kreisbogen mit dem Halbmesser von 22,5 m gekrümmte Gewölbe des Hauptbogens ist im Scheitel 1,7 m, im Kämpfer 3,1 m stark.

Neben dem Wäldlitobelviadukt vermag auch der Schmiedetobelviadukt, welcher sich zwischen den Bahnhöfen Dalaas und Hintergasse befindet, ebenso sehr zu beeindrucken. Dieser über eine 114 m weite und 56 m tiefe Felsschlucht gebaute Viadukt verfügt über drei Halbkreisgewölbe von je 22 m Spannweite, auf beiden Seiten daran anschließend erstreckt sich je ein ebensogeartetes Gewölbe von 12 m Lichtweite. Die großen Gewölbe ruhen auf zwei Pfeilern von 38,2 m bzw. 39,4 m Höhe (von der Fundamentsohle bis zum Bogenanlauf gemessen) und haben im Scheitel 1,25 m, am Kämpfer 2,3 m Stärke.

Der Viadukt über die Alfenz bei Langen a/A, folglich die Viadukte über den Radona-, den Höllen- und den Brunnentobel bei Dalaas sind dem Schmiedetobelviadukt zwar ähnlich und nicht minder beeindruckend, doch übersetzen die ebengenannten Brücken die ihr zugrunde liegenden Schluchten nur in einer Höhe von 18-22 m.

Bezüglich des Alfenzviadukts scheint es noch erwähnenswert, dass das Gewölbe der 20 m weiten Mittelöffnung mithilfe von unregelmäßigem Bruchsteinmauerwerk aus lagerhaftem Gneis ausgeführt wurde, während hingegen beim Bau der Wäldli-, Radona-, Höllen-, Schmiede- und Brunnentobelbrücke mit Gewölbekonstruktionen von bis zu über 20 m Lichtweite raues Schichtenmauerwerk aus Kalkstein zur Anwendung kam.

Hinsichtlich des Wäldlitobelviadukts gilt es noch darauf hinzuweisen, dass zur Herstellung dieses Bauwerks sowohl Kalkstein als auch Gneis als Steinmaterial dienten, nachdem der Bedarf an rauen Schichtensteinen der gleichen Steinsorte in dem zur Verfügung gestandenen Zeitraum nicht abgedeckt werden konnte.

Neben den bereits erwähnten Steingewölbekonstruktionen gelangten auf den beiden Rampen der Arlbergbahn noch zwölf weitere große Viadukte mit zusammen 55 Öffnungen von 5-12 m Lichtweite und einer gesamten lichten Weite von 463 m zur Ausführung, wobei auch die Nebenöffnungen der Innbrücke bei Landeck und jene der Trisannabrücke bei Wiesberg zu diesen Konstruktionen gezählt werden.

Hinsichtlich der offenen bzw. eisernen Brücken kann wohl zweifelsohne festgestellt werden, dass die Trisannabrücke zu den herausragendsten und zugleich spektakulärsten Brückenkonstruktionen zählt, die der Arlbergbahnbau hervorgebracht hat. Mit einer Weite von 230 m überspannt dieses Bauwerk die Trisannaschlucht in einer Höhe von 87 m, verfügt über eine Mittelöffnung mit einem Fachwerkträger von 120 m Stützweite, sowie über sieben gewölbte Seitenöffnungen mit je 9 m Spannweite.

Die Herstellung der großen Pfeiler des Viaduktes erforderte unter Ausschluss der Winterperiode einen Zeitraum von 12 Monaten – Juli 1883 bis Juli 1884 – (Denkschrift aus Anlass des zehnjährigen Betriebes: 25-35), wobei die Bauarbeiten mithilfe einer elektrischen Beleuchtung auch in der Nacht vorangetrieben werden konnten.

Die Errichtung des Montierungsgerüsts für die Eisenkonstruktion oblag jedoch nicht dem Lieferanten derselbigen, wie dies normalerweise gehandhabt wurde, sondern wurde von der Staatsverwaltung selbst vorgenommen. Solange die Montierung der Eisenkonstruktion noch nicht in Angriff genommen werden konnte, durfte dieses Gerüst auch für den Bau der Pfeiler des Viaduktes verwendet werden. Die hierfür erforderliche Menge an Bruchsteinen wurde der unmittelbaren Umgebung der Baustelle entnommen und das geförderte Steinmaterial mithilfe eines Aufzuges, welcher in das Montierungsgerüst eingelassen war, auf die gewünschte Etage des Gerüstes gehoben, sowie auf Dienstbahnen bis zu den Pfeilern gebracht (Bischoff: 34).

Abschließend sei darauf verwiesen, dass die mitunter imposant anmutenden Brücken und Viadukte aber noch lange nicht zu den schwierigsten Bauvorhaben zu zählen sind, welche beim Bau der Arlbergbahn zur Ausführung gelangt sind. Die Herstellung zahlreicher Aquädukte und überwölbter Einschnitte, welche zur Überführung von Lawinenabgängen, sowie zur unschädlichen Ableitung von Bachläufen und Murenabgängen dienen, waren mit enormen Schwierigkeiten verbunden (Denkschrift aus Anlass des zehnjährigen Betriebes: 35).


Literaturverzeichnis:

Bischoff, Friedrich. Denkschrift der k. k. General-Direktion der österr. Staatsbahnen über den Fortschritt der Projektirungs- und Bauarbeiten der Arlberg-Bahn: Schluss. 3. Bd. Wien: kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, 1890.

k. k. Staatsbahndirection Innsbruck, Hg. Die Arlbergbahn: Denkschrift aus Anlass des zehnjährigen Betriebes 1884-1894. Innsbruck: k. k. Staatsbahndirection Innsbruck, 1896.


(Autor: Laublättner Michael)